„Brügge will es jetzt einfach an Union spenden, das weiß jeder.“

In den Fancafés rund um das Bosuil herrschte an diesem Nachmittag Titelfieber wie nie zuvor. Achtzig Minuten lang konnten sie den Titel riechen, doch das geplante Volksfest erwies sich dennoch als Enttäuschung. „Ich möchte weiterhin daran glauben, aber jetzt habe ich Angst davor.“

Jörn-Auktion

Wir schreiben eine Stunde vor dem Anpfiff des Spiels, von dem die Antwerpener Fans seit einer Woche träumen, und die Suche nach einem freien Platz in der Großen Alten Taverne ist bereits im Gange. Die treuen Unterstützer Noah (23) und Iñasinho lachen, als ein Passagier aus dem Seitenfenster eines vorbeifahrenden Autos eine Rauchbombe zündet. „Das ist erst der Anfang“, sagt Noah. „Hier wird es sehr bald explodieren. Das sollte ein Antwerpener Feiertag sein.“

Bald wird es der Tabellenzweite nach dem Titelkampf gegen Union sein. Wenn Antwerpen die drei Punkte holt, wird es zum ersten Mal seit 66 Jahren Meister in der höchsten Fußballklasse. Selbst der erfahrene Toby Alderweireld, der bereits mit Ajax (3x) und Atletico Madrid Meister wurde, erklärte vor dem Spiel, dass er mit „seinem“ Antwerpen einen Titel ganz oben auf seiner Ehrenliste platzieren würde.

Es ist nicht verwunderlich, dass die Nerven bei jedem angespannt sind, der ein warmes Herz für Antwerpen hat. „Es wird ein trockenes 1:0, ein Gegentor“, prognostiziert Thibault (22), der bis zu seinem dreizehnten Lebensjahr für Antwerpen spielte. Der Respekt vor dem Gegner Union ist bei vielen Fans spürbar, die das schwache Spiel gegen Club Brügge nicht vergessen haben. „Das ist das Spiel, das muss passieren“, sagt Sven (53). „Man kann auch gelähmt werden, so wie letzte Woche. Hoffentlich finden sie jetzt wieder ihr Niveau.“

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Auch Nicolas (30), der sich mit einer Gruppe Freunde vor der Großen Alten Taverne aufwärmt, kann sich dem Titelstress nicht entziehen. „Ich habe letzte Nacht vor Stress kein Auge zugetan. Es tut, was ein Mensch tut, nämlich nach so vielen Jahren wieder Champion werden zu können.“ Dennoch scheint der Gerstensaft den Titelstress ganz gut wegzuspülen. “Eine Vorraussage? Ich sage: 5:0. Ich möchte Taste of Summer fünfmal durch die Stadionlautsprecher hören.“

Im Stadion selbst wird er es nicht hören können, denn wie die meisten Menschen, die sich in der Großen Alten Taverne versammelt haben, ist es ihm nicht gelungen, eine Eintrittskarte für das Titelspiel gegen Union zu ergattern. „Schade, denn ich war ja schon dabei, als wir noch in der zweiten Liga spielten“, sagt Nicolas. „Aber jetzt, wo wir oben sind, wollen natürlich alle vorbeikommen.“

Bild Tine Schoemaker

Zehnmal ausverkauft

Nach Angaben des Vereins hätte das Bosuil vor dem Spiel gegen Union zehnmal ausverkauft sein können: Die Nachfrage nach einem Ticket war so groß. Es gibt Unterstützer, die eine Hin- und Rückfahrt von Texas oder Bukarest bezahlen würden, um dort zu sein. Kein Wunder, dass das Spiel innerhalb weniger Minuten ausverkauft ist. Für die Tickets, die in den Tagen vor dem Spiel über Internetforen oder Facebook-Gruppen angeboten wurden, musste man bald mehrere hundert Euro bezahlen. „Ich habe Tickets für 500 oder 900 Euro gesehen“, sagt Jules (29). „Ich tue viel dafür, aber das ist es auch schon. Dann schauen wir uns das Café hier einmal an. Man kann überall Atmosphäre schaffen.“

In den Fancafés mangelt es während des Spiels tatsächlich nicht an Atmosphäre. Umso mehr für Stehplätze mit Sicht auf einen Fernsehbildschirm. In der Großen Alten Taverne bildet sich vor dem aufgebauten Bildschirm schnell ein undurchdringlicher Mob, und draußen muss man auch ein Riese sein, um jede Bewegung unter der Anzeigetafel zu erkennen. Bald bilden sich im Umkreis des Cafés Gruppen von Menschen, die sich um einen Telefonbildschirm mit Livestream versammeln. Es schafft ein ziemlich einzigartiges Fußballerlebnis für die Fans. Da der Livestream etwa zwanzig Sekunden hinter dem eigentlichen Spiel zurückbleibt, sind alle, die das Spiel im Café verfolgen, bei jeder Aktion von den Zurufen der Fans aus dem nahegelegenen Stadion angespannt.

Es kommt vor, dass Zuschauer in und um das Great Old den Waldkauz nach fünfzehn Minuten explodieren hören, zwanzig Sekunden lang von Neugier zerrissen werden und dann eine wunderschöne Locke von Vincent Janssen hereinkommen sehen. 1:0 für Antwerpen! Fans fliegen sich gegenseitig in die Arme, Bierbecher fallen zu Boden, das erste „Champioeneuh!“ wird eingesetzt. Das entgeht Antwerpen nicht mehr, davon scheinen inzwischen alle überzeugt zu sein. „Im Bosuil werden sie zwanzig Sekunden früher Meister als hier“, bemerkt ein Unterstützer subtil.

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Auch in der zweiten Halbzeit scheint für Antwerpen schon lange alles auf einen Sieg hinzudeuten. Hunderte Anhänger sehen mit zunehmender Begeisterung, wie Union nach einer waghalsigen Grätsche zu zehnt weitermachen muss.

Die achtzigste Minute verändert alles. Plötzlich fällt der Ball vor die Füße von Union-Spieler Puertas. Ein Sonntagsschuss weicht vom Publikumsliebling Vermeeren ab, prallt quälend langsam ins Tor und verdirbt Antwerpens lang erwartete Titelfeier. Es wird ruhig um die Great Old, und das wird auch nach dem Spiel noch eine Weile so bleiben. „Ich möchte weiterhin daran glauben, aber jetzt habe ich Angst davor“, sagt Paul (60) nach dem Schlusspfiff. „In Genk zu gewinnen wird noch schwieriger. Und Brügge wird es jetzt einfach an Union spenden wollen, das weiß jeder.“

Andere finden bald wieder Hoffnung. Sie sehen lediglich, dass die Titelparty um eine Woche verschoben wird. „Dann sollte es bei Genk passieren“, ist Lennert (25) überzeugt. Er hatte in dieser Saison jedes Heimspiel im Stadion verfolgt. Nur für dieses Spiel fand er keine Tickets. Es werden genauso viele Leute sein, wenn nicht sogar mehr.“

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